Begrabene Städte 1
Serie „Augenöffner“ (Teil 1)
Wo ist das Stockwerk am Leipziger Rathaus hin? Gab es vor rund 200 Jahren weltweit eine Schlammflut, zu englisch „mudflood“? Doch warum ist das nicht bekannt? Ein Krimi der Extraklasse.
Diese Artikelserie baut inhaltlich aufeinander auf, deshalb lies am besten von Anfang an. Bitte beachte: mir geht es nicht um Beweisführung, sondern zu eigenen Nachforschungen und einer Diskussion anzuregen.
Liquefaction / Verflüssigung
Dass sich der feste Boden, das Erdreich innnerhalb Sekunden verflüssigen kann, z.B. in Folge eines Erdbebens, ist ein bekanntes Naturphänomen. Zu sehen z.B. in diesem exzellenten Video.
Auch diese Videos hier oder hier enthalten beeindruckende Aufnahmen. Ganze Dörfer können auf die Art in wenigen Augenblicken einfach verschwinden. Manchmal kommt es auch zu Schlammfluten, die meterhoch alles unter sich begraben. Das sieht dann z.B. so aus:
An sich ist es also nicht Besonderes, dass nach einer solchen Katastrophe das Erdgeschoss von Häusern verschüttet ist – es sei denn, wir finden dies in Städten überall auf der Welt!
Falsche Keller
In 2017 stolperte ich über Bilder wie diese, von denen es abertausende gibt:
Hier findest Du mehr Bilder zum gleichen Ort / Stichwort.
Bei Bauarbeiten kommt zutage, dass das heutige Erdgeschoß einst der erste Stock gewesen sein muss. Durch ein geschichtlich nicht erfasstes Ereignis (!) wurden Städte unter Schlammmassen begraben, und die (überlebenden?) Bewohner entschlossen sich wohl, den ersten Stock zum Erdgeschoss umzufunktionieren. Der obere Teil der ursprünglichen Erdgeschossfenster wurde zu dem, was wir heute als Kellerfenster interpretieren.
Wenn das stimmt, müssten sich in den heutigen Kellern große, inzwischen zugemauerte Fenster finden, richtig? Voilà.
Dieses Foto fand ich unter dem Stichwort „Keller Gründerzeithaus Deutschland“. Ganz eindeutig waren hier einmal große Fenster, doch wie kommen sie dahin? Niemand würde ja große Fenster unterhalb des Straßenniveaus anlegen, zumindest nicht vor 100 Jahren plus, weil Keller für die Einlagerung von Kartoffeln und anderem Gemüse dunkel sein sollten; außerdem würde nur Dreck reinwehen.
Wirklich Kellerfenster?
Nun, wie kommt es dann aber, dass es z.B. in Leipzig jede Menge große Fenster unterhalb des Straßenniveaus gibt, z.B. dieses Prachtstück in der Riemannstraße?
Was man zuhauf findet, sind Häuser mit erhöhten Eingängen, die gleichzeitig ein sogenanntes Halbparterre haben, wie dieses:
Hier wunderbare Aufnahmen aus Danzig, Sommer 2018, offenbar ein Mekka des Halbparterre! Oder steckt nicht eher das ehemalige Erdgeschoß halb im Boden?
Hier ein Schmankerl aus Dänemark. Die Architekten haben offenbar mit Zwergen gerechnet.
Warum legt man Wohnbereiche halb unter Straßenniveau an, statt einfach ebenerdig zu bauen? Drei Gründe sprechen gegen diese Bauweise:
- man kann keinen Keller anlegen, zumindest keinen mit Fenstern und somit einer Luftzufuhr,
- die Wohnungen werden feucht sein, weil sie halb im Erdreich liegen,
- und nicht zuletzt ist es umständlicher, weil man den Raum um die Eingangstreppen und -türen ausschachten und immer Außentreppen bauen muss.
Also entweder verstanden die Architekten ihr Handwerk nicht, oder…
Erklärungsnot
Ja, meinte ein Architekt, das könnte an der Bauverordnung gelegen haben, die eine maximale Bauhöhe vorschrieb.
Weil man im Rahmen des Erlaubten so viel wie möglich vermieten wollte, also aus monetären Gründen, baute man (feuchte) Halbparterre, in die man das Gesinde verfrachtete (jemand anderes würde dort wohl kaum wohnen wollen, in Zeiten wo es noch keine Zentralheizung gab).
Ein nettes Argument, aber wohl eher ein verzweifelter Versuch, das gesamte Thema zu ignorieren. Gesinde war früher nämlich immer unsichtbar untergebracht, und zwar im Dachgeschoß. Außerdem: hatten die offensichtlich wohlhabenden Erbauer all dieser Villen ein wenig Zubrot wirklich nötig? Und warum sollte man die Erscheinung der oft edel verzierten Fassaden mit stets dreckigen Fenstern im Halbparterre verhunzen? Und wenn Ästhetik offensichtlich eine große Rolle spielte, warum baut man dann Treppen vor Fenster?
Ich kenne dutzende Beispiele solch „ungewöhnlicher“ Bauplanung allein in Leipzig. Wahrscheinlicher scheint mir, dass die Treppen nachträglich angebaut wurden. Nicht zuletzt kann man sich fragen, warum denn selbst ein Megabau wie das (sogenannte) Neue Rathaus in Leipzig mit seinem immerhin fast 115 Meter hohen Turm exakt die gleichen mudflood-Charakteristika aufweist?
Auch dort sind große Fenster bis zu 2 Meter unter Straßenniveau. Warum? War es dringend erforderlich, den hunderten Räumen noch zwanzig hinzuzufügen, und wegen der (vom Stadtrat selbst erlassenen) Verordnung war der Gang in den Untergrund der einzige Weg? Warum dann aber große Fenster, wenn eh kaum Licht in die Tiefe dringt?
Moment, da fehlt doch was!
Fündig wurde ich bei Recherchen zum „Alten Rathaus“ in Leipzig, die bis 1600 ein ein weiteres Stockwerk zeigen, oder sogar bis 1830, wenn ich das entsprechende Bild richtig interpretiere!
Nun könnte der Maler von 1593 natürlich betrunken gewesen sein, doch wenn mich die Bildanalyse nicht täuscht, war das Rathaus auch 1830 noch höher. 1900 fehlt ein Stockwerk. Hier nochmal alle Bilder chronologisch.
Zwischenstand:
Gehen wir nach diesen Bildern, die übereinstimmend ein höheres Rathaus zeigen, muss das Niveau des Leipziger Marktplatzes heute um ein komplettes Stockwerk höher liegen. Ist also die gesamte Stadt versunken, weil sich der Erdboden bei einem Erdbeben verflüssigt hat? Das scheidet wohl aus, weil dann viele Gebäude schief und voller Risse wären. Doch woher sollen solche Erdmassen kommen? Das ist noch unklar, dennoch bleibt das Phänomen der fehlenden Stockwerke und halben Keller, auf die wir im nächsten Teil einen genaueren Blick werfen.