Ich bin doch nur eine Affäre für Dich! Zum Verständnis typischer Liebeskrämpfe.

In viele Liebesbeziehungen zieht nach kurzer Zeit der Vorwurf ein. Woher kommt die Unzufriedenheit und wie können wir sie vermeiden?

Wann sehen wir uns wieder? Was ist das mit uns? Haben wir jetzt eine Beziehung?

Fragen wie diese lernte ich fürchten, und auch die ewig gleichen, fruchtlosen Diskussionen, die darauf folgen. Am Anfang große Leidenschaft, doch bald kommen die Forderungen, die Anklagen und die Enttäuschung.

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Gib mir  meeehr!

Wie ich im letzten Beitrag erzählte, empfand ich es als befreiend, mein Angezogensein klar zu äußern. Ich merkte, dass Frauen nicht böse sind, begehrt zu werden, aber halt nicht benutzt werden wollen. Doch dann tauchte dieses andere Problem auf.

Allzuschnell reichte es nicht mehr, da wollte sie „mehr“.

Unausgesprochen schwang die Aussage mit: „Wenn ich dir wirklich etwas bedeuten würde, würdest du jeden freien Moment mit mir verbringen wollen, mich festhalten und an dich binden. Verhältst du dich nicht so, ist doch klar, dass ich nur eine Affäre für dich bin!“ Dann ist auch der leidige Satz nicht mehr weit, Männer wollten ja eh nur das Eine und nutzten Frauen nur aus.

Mir wurde also unterstellt, ich hätte nicht genug Gefühle, sei irgendwie gefühlskalt oder gar berechnend, und das trotz großer Zuwendung meinerseits. All das nur, weil ich diese schönen Momente nicht jeden Abend wollte, und auch nicht das Kuschel-Gesamtpaket. Hatte ich irgendwo das Kleingedruckte übersehen? Anfassen nur gegen Übernahme des Komplettprogramms? Wer A sagt, muss auch B sagen? Hat die sexuelle Befreiung etwa gar nicht stattgefunden? Ich sah mich also vor die Wahl gestellt, entweder

  • keusch zu leben
  • Begegnungen zu haben im Wissen, dass ich irgendwann wieder der Böse bin und Schmerzen verursache,
  • oder das Gesamtpaket zu buchen.

Also nochmal: warum muss es gleich mehr sein, warum reicht Kaviar einmal die Woche nicht aus? Warum jeden Tag?

Was fehlt dir zum Glück?

Etwas Licht kam in die vertrackte Geschichte, als ich mich mit Lukas Möller und Gewaltfreier Kommunikation von M. Rosenberg beschäftigte, worüber ich hier schon berichtete. Beide plädieren dafür, wechselseitig über Bedürfnisse zu reden, und die daraus resultierenden Wünsche zu formulieren.

Da wurde mir klar, wie diffus dieses „mehr“ eigentlich ist, wie verschwommen und inhaltlos das Bild dieser so heftig erstrebten Bindung.

Wie möchtest du berührt werden, und wie oft? Welche Art des Miteinanders wünsche ich mir selbst, und was kann ich gar nicht leiden? Darüber kommunizieren nur die wenigsten, weil wir glauben, das sei doch alles klar und selbstverständlich. Genau deshalb gibt es so viele enttäuschte Erwartungen.

Zwei grundverschiedene Herangehensweisen kristallisierten sich für mich heraus, die alte und die neue.

  • Die eine schöpft ihre Energie aus konkreten, wohltuenden Ereignissen und Erfahrungen mit dem anderen. Ich vertraue nicht einfach so, sondern weil sich mein Gegenüber als vertrauenswürdig erwiesen hat; ich erzähle deshalb offen von mir, weil mir Wertschätzung widerfuhr. Der Wunsch nach einem Wiedersehen entspringt dann keinem Traum, sondern dem realen Erleben, dass mich die Begegnungen stärken, bereichern und gut tun.
  •  Im anderen Fall taucht eine diffuse Sehnsucht in der Seele auf, die märchenhafte Vorstellung des  „und wenn sie nicht gestorben sind…“. Unterstützt durch all die hübsche Werbung vom Häuschen im Grünen und pausbäckigen Kindern folgern wir, dass nur glücklich sein kann, wer dieses Gesamtpaket bucht.

Es ist verständlich, dass wir nach Verlässlichkeit suchen. Sicherheit ist schon wegen eventuellen Kindern wichtig. Diese soll und muss es auch geben, aber nicht mehr durch das Besteigen einer Beziehungskiste!

Das Ende der Beziehungskisten

Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass sich die Zeiten grundlegend geändert haben. Hierzu ein Zitat aus diesem Beitrag:

„Wir reden hier über einen bisher wenig bekannten, kaum diskutierten Wandel in der Menschheit. Denn bis noch vor kurzer Zeit war es “normal”, dass die Eltern den Lebenspartner für ihren Nachwuchs aussuchten und Rollen waren zementiert. Selbstverständlich trat der Sohn in des Vaters Fußstapfen, und natürlich stand eine Frau am Herd. Diese Fremdbestimmung wird nun immer vehementer abgelehnt!“

Immer stärker wird der Drang, ein ureigenes Leben zu haben, abseits vorgezeichneter Bahnen.

Ich nenne dies ein Leben aus dem ICH, und damit geht zwansgläufig eine fragende, eine hinterfragende Haltung einher. Wer aus dem Ich heraus lebt, also wirklich individuell, der kann sich nur nach dem richten, was selbst als wahr und richtig erkannt wurde.

Warum sollte ich das oder jenes tun? Weil es immer schon so war, und man es halt so macht? Nein, so geht das nicht! Die Generationen vor uns fügten sich ohne Murren in ein vorgegebenes Schema, und warens zufrieden. Sie störten sich nicht an all den Regeln, Rollendefinitionen und Verhaltensvorschriften. Wir schon!

Früher war klar, was jeder zu geben hatte und erwarten durfte, weil es vorgeschrieben war.

Da war auch nicht wichtig, was der andere denkt und fühlt, denn selbst das war gewissermaßen normiert. In den heutigen Liebesbeziehungen wollen wir es aber wissen, und der Grund dafür ist ein Geheimnis: unser ICH stellt nämlich deshalb Fragen und alles in Frage, weil es die Welt verstehen möchte!

Ich sehe dich

Es möchte eintauchen in das Wesen der Pflanzen, Tiere und natürlich auch der Mitmenschen. Der schöne Ausdruck dafür ist Interesse, welches gerade in der Verliebtheitsphase groß ist. Da empfinden wir den (geschenkten) Impuls, dem anderen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, und sind füreinander da.

Im und für den anderen leben zu lernen, darum geht es heute.

Übersetzt in die Praxis resultiert daraus der Wohlfühlpakt, der nur einen Leitsatz hat: ich will danach trachten, Dir Gutes zu tun.

Die Bedürfnisse des anderen im Blick zu haben, anstatt die (sowieso nie stillbaren) eigenen Erwartungen, das vereinbaren wir! Was fehlt ihm oder ihr zum Glück, körperlich, seelisch und geistig? Diese Haltung fördert ganz von selbst intensive Gespräche und genaues Hinsehen, genauso wie den Wunsch zur Weiterbildung! Denn wer ein guter Unterhalter sein möchte, muss ja irgendwas haben, das unterhaltsam ist; und wer gut massieren will, muss dies lernen.

So besucht man vielleicht mal einen Massagekurs, um noch mehr Wohl wirken zu können, einen Kochkurs, ein Kommunikationsseminar etc.

Wo beide füreinander sorgen, ist ganz nebenbei für beide gesorgt.

Auch die Frage wird in den Hintergrund treten, ob man nun eine Beziehung oder nur eine Affäre hat. Denn wo man sich gesehen, gewertschätzt und gut behandelt fühlt, werden Definitionen nicht so wichtig. Und ist es nicht so in vielen dieser Beziehungen, dass nur allzu schnell die Luft raus ist? Man sich eben nicht mehr zuwendet und aufeinander be-zieht? Nicht auf den Namen kommt es an, sondern allein auf konkrete Taten.

Ob aus einem solch zugewandten Miteinander der Wunsch erwächst, die Sorge um den anderen ein Leben lang zu tragen, wird sich weisen. Sollten die Lebenswege aber doch wieder auseinanderführen, kann jedenfalls keiner dem anderen vorwerfen, er wäre ausgenutzt worden.

Erzähl es weiter!
Thomas Christian Liebl
 

Bewegungslehrer, Autor, Visionär. Mehr Infos hier.

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