Warum Beziehungen so schwer sind – und wie sie gelingen.
Zum Verständnis meiner Beiträge lies bitte die Grundlagen-Artikel!
Ständig gehen Partnerschaften in die Brüche. Gestern noch Liebe, heute Hass. Woran liegt es? Sind wir einfach beziehungsunfähig oder…?
Immer Streß mit der Beziehung
Wer eine Trennung durchlebt hat, weiß, wie schlimm das sei kann. Schon die Zeit davor ist belastend, mit Streit, Eifersucht und Vorwürfen. Danach dauert es Monate, bis der Schmerz abklingt, und manchmal Jahre, bis die seelischen Wunden verheilt sind. Monate bis Jahre des Lebens also, die man mit Heulen und Zähneknirschen verbringt, und viele machen das nicht nur einmal durch, sondern öfter. Von den Folgen für eventuelle Kinder wollen wir gar nicht reden, oder dass oft auch die wirtschaftliche Existenz ruiniert wird.
Natürlich gibt es Tonnen von Ratgebern mit Maßnahmen zur Beziehungspflege und Konfliktbewältigung. Die Kernfrage wird meines Erachtens aber nicht gestellt, nämlich ob hier nicht ganz grundsätzlich etwas schief läuft. Vorbeugung ist das Stichwort.
All das Leid, so behaupte ich, wäre mit entsprechendem Wissen und Aufklärung vermeidbar.
Und ich sage das nicht, weil ich so viel klüger bin – im Gegenteil. Ich musste ebenfalls mein Lehrgeld an Liebesschmerz bezahlen, durfte aber auch in diesem Lebensbereich zu Antworten finden, die in den Mainstreammedien oder populären Büchern nicht gebracht werden. Also auf zu einer neuen Wissensperle!
Dem Anfang wohnt ein Zauber inne
Fangen wir ganz vorne an, beim Erwachen dieser eigenartigen Sehnsucht nach dem anderen Geschlecht. Ich weiß noch genau, wie es war, damals in der 9. Klasse: wo vorher nur Mitschülerin Anja war, eine Bank vor mir, saß auf einmal ein zauberhaft geheimnisvolles Geschöpf, das mich bis in meine Träume verfolgte. Sie hat, so war das Erlebnis, meine Seele berührt.
Die heutige Wissenschaft erklärt mir aber, dass einfach der Fortpflanzungstrieb in mir erwacht sei. Nichts Besonderes also, einfach Biologie und Hormone. Angeblich würde mein Körper sagen, ich solle jetzt bitte fleißig Samen streuen. Denn er, bzw. die Natur, will das halt so. Der Zauber war also nur eingebildet? Das Gefühl nicht real, einem Geheimnis gegenüberzustehen, dem man sich nur bescheiden und behutsam nähern kann und darf?
Das ist ja eine wichtige Frage, weil hier die innere Haltung geformt wird, mit der sich die Geschlechter den Rest des Lebens begegnen.
Ich leugne nicht, dass wir einen Trieb haben, aber er ist mit dem von Tieren nicht vergleichbar. Im Tierreich ist nämlich genau geregelt, wann Paarungszeit ist, wer für die Aufzucht zuständig ist etc. Wir Menschen haben nur diesen diffusen Antrieb, Weg und Ziel müssen wir jedoch selbst definieren. Hier geht es Lebensführung, also um Kultur (siehe: Fußballfans, Flittchen und der Sinn von Kultur!
Wir würden ja nie ein Kind mit Mörtel und Maurerkelle losschicken, und glauben, da käme eine schön verputzte Wand heraus. Nein, erst muss das Kind lernen, wie es richtig gemacht wird. Bei Beziehung gilt dieses Prinzip auffälligerweise aber nicht. Da müssen wir nichts lernen, denn da haben wir – Tadaaa – unser Bauchgefühl! Je heftiger die Schmetterlinge im Bauch flattern, desto sicherer können wir angeblich sein, den oder die Richtige gefunden zu haben.
Der Bauch als Entscheider?
Das wird biologisch damit untermauert (Darwin lässt mal wieder grüßen), dass wir angeblich riechen können, welcher Körper genetisch zu unserem passt, also mit wem sich die gesündesten und stärksten Nachkommen zeugen lassen. Und so stürzt sich alles ins Liebesgetümmel, im Vertrauen auf diesen biologischen Kompass – mit eigentlich absehbaren Folgen, s.o. Ich komme zum Punkt:
Es gibt keine (chemisch) passenden Partner, und auch kein Beziehungsprogramm.
Bei Mann und Frau mögen die Geschlechtsorgane zusammen passen, sonst aber auch gar nichts! Genau das zeigt sich in den typischen Streits, die entbrennen, sobald der Verliebtheitsrausch abgeklungen ist. Eine Frau ist eben nicht nur ein Mann mit Brüsten. Sie erlebt die Welt fundamental anders als er. Passend dazu ein Witz von Wolfgang Gädecke, dessen Buch (s.u.) ich nur empfehlen kann:
Die Frau kommt nach Hause, völlig aufgelöst. „Stell Dir vor: ich stehe im Feierabendverkehr an der Ampel, fahre los, und mitten auf der Kreuzung geht der Motor aus! Überall hupen Autos, Leute schreien. Oh mein Gott.“ Seine Antwort: ich geh gleich mal runter und sehe nach dem Wagen.“
Klassische Fallen
Ich denke, zumindest die Damen verstehen, wo der Haken ist. Als Mann muss man allerdings erst lernen, dass hier keine Aktion angesagt ist, sondern einfach Trost und Verständnis gebraucht wird. Ein Satz wie „ach mein Schatz, das war bestimmt grauenvoll“ genügt. Wenn er fehlt, und der Mann gleich in die Garage rennt, fühlt sie sich im Stich gelassen und wird sauer. Der Abend ist gelaufen.
Was so einfach klingt, verlangt vom Mann allerdings ein Um- oder Dazulernen.
Die Welt der Emotionen ist uns Männern eben nicht so vertraut wie den Frauen. Die müssen wir erst kennen- und schätzen lernen. Umgekehrt ist den Frauen die klare Welt der logischen, abstrakten Unterscheidungen verborgen, ohne die es aber weder Technik noch Buchhaltung gäbe. Deshalb fallen ihnen oftmals Entscheidungen so schwer, z.B. beim Schuhkauf, was wiederum einen Mann in den Wahnsinn treiben kann.
Im Kern sind wir zwar alle Menschen, aber das Seelenkostüm, das wir für unsere irdische Reise anziehen, ist eben ganz verschieden. Auch wenn diese Unterschiede heute zunehmend geleugnet werden: es sind Tatsachen bis hinunter auf die körperliche Ebene. Nicht nur das Geschlecht bestimmt, wie wir die Welt wahrnehmen, sondern auch die Temperamente, also ob jemand cholerisch ist, sanguinisch etc. Dazu kommt die sogenannte Sozialisierung, sprich mit welchen Werten jemand aufgewachsen ist, Sprache, finanziellem Background und so fort.
Abgründe sehen und überbrücken
Zusammen mit den ganz persönlichen Erfahrungen macht uns diese Gemengelage, wie ich sie gerne nenne, zu Individuen – und trennen uns voneinander! Ausführlicher habe ich bei Ich versteh Dich einfach nicht darüber geschrieben.
Diese Abgründe sind im Liebesrausch nicht bemerkbar, weil wir für kurze Zeit die Fähigkeit haben, aus der eigenen Haut zu schlüpfen.
Das So-Sein weicht auf, und Männer haben plötzlich Zugang zu ihren Gefühlen. Das ist aber ein Geschenk der Götter, und dient nur als Vorbild: seht, so könnte es sein!
Das Verstehen- und sich Einfühlen-Können soll aber zur eigenen Fähigkeit werden, und der erste Schritt dazu ist Wissen. Wir können unsere Kinder lehren, wie anders Frau und Mann die Welt betrachten und erleben. Im zweiten Schritt gilt es die Sehnsucht aufzugreifen, die wir in der Pubertät plötzlich empfinden. Wir ahnen ja das Geheimnis im anderen, das in ihm oder ihr Fähigkeiten und Kräfte verborgen sind, über die man selbst nicht oder nur ansatzweise verfügt.
Zeig mir Deine Welt
Statt die Kinder schon mit dreizehn zum Geschlechtsakt zu ermuntern, könnten wir das Knüpfen von zarten Freundesbanden anregen, die auf Verehrung und Respekt gründen. „Lehre mich, Deine Welt zu sehen“ könnte das Motto lauten.
Ich selbst habe das irgendwann kapiert, und begann Frauen (nicht nur) als Objekt der Begierde zu sehen, sondern als Vorbilder.
Die typisch weibliche Freude an Blumen, Tieren und Menschen, allem Lebendigen eben. Dazu ihre Geduld mit Kindern, ihre Phantasie und Lust zur Gestaltung. Deshalb schminken sich Frauen ja so gern, und verändern ihr Aussehen wie das der Wohnung.
Also allein der Gedanke, dass die Sehnsucht nach dem Weibe ein anderes Ziel haben könnte, als nur Sex und irgendwie Beziehung, nämlich von ihnen zu lernen, veränderte meinen Blick. Die umgelenkte Liebe zum anderen Geschlecht ließ mich die Welt mit weiblichen Augen sehen. Da fiel mir nicht nur auf, dass ich meine Pflanzen vernachlässige, überall Staub liegt und der Kühlschrank leer ist, sondern es störte mich auf einmal!
Und jetzt denk bitte nochmal an den Witz von oben: wenn der Mann all das wüsste, und die weibliche Seite in sich ein wenig entwickelt hätte, gäbe es zwei Möglichkeiten:
a) er würde sie einfach in den Arm nehmen und sich dann um den Wagen kümmern.
b) auf dem Weg zum Auto ertappt er sich, hält inne, grinst die (wissende!) Frau an, und sagt: Ähhm, richtig, da war noch was!“
Wo es vorher zur Verstimmung gekommen wäre, kann jetzt Humor verbinden.
Aber nur, weil und wenn beide sich der Unterschiede bewusst sind, und es nicht mehr persönlich nehmen.
Das ist wohl der entscheidende Punkt. Keiner kann ja was dafür, Mann oder Frau zu sein, Choleriker, reich oder sonstwas. Aber wir können unterscheiden, dass ICH nicht identisch bin mit diesem einseitigen Gefühlskostüm, und uns entschließen, die fehlende Sichtweise zu erlernen.
Dabei ist hilfreich, sich dem anderen freundlich und ohne Vorwurf mitzuteilen. „Nimm mich bitte kurz in den Arm“ ist ihr Bedürfnis, und „bitte Schatz, ich möchte, dass wir uns jetzt für ein Paar Schuhe entscheiden“ das sein. Einfach reden.
Wenn meine Partnerin heute „typisch Mann“ sagt, fühle ich mich nicht mehr angegriffen. Denn meistens hat sie ja recht. Es gibt natürlich auch Situationen, wo sie aufgefordert ist, das Männliche in sich zu aktivieren. Dann gebe ich auch mal nicht nach. Vielleicht säuert sie ein wenig, weil innere Widerstände überwunden werden müssen, aber dann kommt schon das augenzwinkernde „Hast ja recht“.
Der Beziehungsführerschein
Zum Schluß noch etwas Wichtiges, das ich bei Ich versteh Dich einfach nicht schon anschnitt: oft werden Großeltern als Vorbilder genannt, und dass die es ja auch geschafft haben, zusammenzubleiben. Dieser Vergleich hinkt aber, weil die Zeit vor den 60er Jahren, als plötzlich überall die freie Liebe propagiert wurde, eine völlig andere war. Da galten noch gesellschaftliche Regeln und Sanktionen in einem Ausmaß, den wir uns schon gar nicht vorstellen können.
Da gab es ganz klare Vorstellungen, wie sich Mann und Frau zu verhalten haben, wer welche Aufgaben und Rollen hat.
Einfach mal so in die Kiste hüpfen gab es da nicht, und ohne den Nachweis seiner Tüchtigkeit konnte ein Mann auch nicht heiraten. All die Regeln verhinderten das Liebeschaos von heute, sie machten die Leute natürlich auch unfrei. Unsere Großeltern hatten noch gar nicht den Freiraum für romantische Wünsche und Ansprüche wie wir. Sie waren vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft, und da hatte Romantik kaum Platz.
Wir sind sozial abgesichert, und Mütter können Kinder notfalls alleine großziehen. Durch das Wegbrechen der gesellschaftlichen Konventionen (Kein Sex vor der Ehe z.B.!) ist nun aber ein Vakuum entstanden, das mit Wissen und Kompetenz gefüllt werden muss. Mädchen mit 14 die Pille in die Hand zu drücken und sagen „mach mal“ wird weiter nur unermessliches Leid produzieren. Ein Beziehungs- oder Eheführerschein, das wäre angebracht. Denn wir lassen ja auch niemandem am Straßen verkehr teilnehmen, ohne seine Befähigung zu prüfen.
Mein Fazit:
Manch einer wird aufschreien bei der Vorstellung, bei Liebe den Kopf einzuschalten, denn allzu oft hört man ja, die beiden seien Todfeinde. Liebe wird in westlichen Ländern mit „sich fallen lassen“ und eben „nicht mehr nachdenken“ assoziiert. Aber woher kommt diese Idee, wo doch die Folgen der ach so freien Liebe überdeutlich sind?
Ich denke, dass hier gezielt Verwirrung geschaffen wird, denn wie hier beschrieben leben wir im Zeitalter der Freiheit. Jetzt werden wir geprüft, ob wir unser Leben aus eigener Erkenntnis meistern können, und unser Unterscheidungsvermögen nutzen, oder eben nicht.
Die Prüfung verläuft immer ähnlich: unsere Seele weiß ganz genau, dass es heute um Freiheit geht, und deshalb sind wir für diesen Begriff auch so empfänglich. Die uns prüfenden Widersachermächte greifen ihn deshalb auf, und verknüpfen ihn mit etwas ganz anderem. In diesem Fall mit Liebe. Aber in die Liebe gehört Freiheit nunmal gar nicht hin, denn da herrschen klare Notwendigkeiten und Gesetzmäßigkeiten. Frei sind wir alleine im Denken und der Suche nach Wahrheit, aber das ist ein anderes Thema.
Weil wir die unerlaubte Verknüpfung von Freiheit und Liebe geschluckt haben, deshalb reagieren wir empört; denn die Seele hört nur „der will mir die Freiheit nehmen“. Das will ich aber ganz gewiss nicht, sondern die propagierte Unterwerfung unter unsere Triebe hinterfragen, damit wieder Freiraum ist, das Geheimnis im anderen Menschen zu suchen. Was ist wohl mehr wert, gelebt zu werden?
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